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Strukturierte Innovation und Design Thinking

Design Thinking

NASA, IDEO, General Electric, ExxonMobil, Rolls-Royce, Samsung und viele mehr. Die Zahl der Unternehmen die Methoden strukturierter Innovation und Design Thinking erfolgreich anwenden sind mittlerweile unzählbar. Oftmals gibt es eine Art Lager-Mentalität. Eine Methode wird in den Himmel gelobt, andere Methoden werden skeptisch beäugt. Oftmals zu Unrecht, denn geschickte Kombinationen verschiedenster Methoden versprechen mehr Erfolg als jegliches Vorgehen in Reinform. Dieser Artikel stellt zwei Methodiken gegenüber. Das öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzte Design Thinking und strukturierte Innovation als Rahmenwerk für erlernbaren und wiederholbaren Innovations-Erfolg.

Design Thinking ist in aller Munde. Je nach Blickwinkel lässt sich Design Thinking als Prozess, als Methode, als Werkzeugkasten oder auch als Mindset beschreiben. Jeweils mit einem Ziel: Innovation. Also die Neuentwicklung oder grundlegende Veränderung von Produkten oder Dienstleistungen für zufriedenere Kunden und Anwender.

Alter Wein in hippen Schläuchen?

Die Anwendung von Design Thinking beginnt mit dem Verstehen der konkreten Herausforderung und des Anwenders. Idealerweise durch unmittelbare Beobachtungen. Eine Vorgehensweise, die als Gemba beispielsweise aus LEAN bekannt ist. Zum Verstehen gehört die Ursachenanalyse, also der Frage nach dem Warum. Angewandt werden klassische Hilfsmittel wie 5 Times Why. Dabei fragt man, warum eine Situation oder Kunden-Handlung so ist, wie sie ist. Die Antwort hinterfragt man erneut mit „Warum ist das so?“ Solange, bis ein gutes Verständnis der Hintergründe erlangt ist. Die Zahl fünf ist hier eher plakativ und nicht als feste Regel zu betrachten.

Kundenzentrierte Innovation

Der Anwender bleibt im Fokus der Betrachtung. Um sich in Anwender hinein zu versetzen, erarbeitet das Team verschiedene künstliche Charaktere, die mit dem betrachteten Produkt in Verbindung stehen. So könnte bei der Entwicklung eines neuartigen Regional-Zuges beispielsweise der imaginäre Wartungstechniker Hans-Jürgen Schmidt porträtiert werden. Ein derartiger fiktiver Charakter wird im Design Thinking wie auch in agilen Entwicklungsmethoden wie SCRUM als Persona bezeichnet und hilft dem Entwicklungsteam, sich in die Lage von Anwendern und Betroffenen versetzen zu können und deren Bedürfnisse zu verstehen.

Brainstorming und schnelle Prototoypen

Auf das Verständnis der Anwenderbedürfnisse folgt die Ideengenerierung mittels Brainstorming. Wie vom Brainstorming bekannt gilt es eine möglichst große Anzahl an Ideen zu erzeugen. Ideen dürfen auf vorher genannten Ideen aufbauen und weiterentwickelt werden. Kritik an Ideen ist zunächst nicht zulässig, um die Kreativität nicht zu beschränken. Neben Brainstorming können generell auch alle anderen bekannten Kreativitätstechniken zur Ideengenerierung eingesetzt werden. Um das Prinzip der Weiterentwicklung von Ideen zu unterstützen, liegt ein Schwerpunkt auf der Erarbeitung von Prototypen. Üblicherweise werden Papier, Pappe, Klebstoff, Plastik- und Holz-Bausteine, Schnüre, Zeitschriften-Ausschnitte und sonstige, leicht verfügbare und kostengünstige Materialien für den Prototypenbau eingesetzt. Sind einige Prototypen vorhanden, so gilt es, diese umgehend zu testen um unmittelbare Rückmeldungen der zukünftigen Anwender zu erhalten. Mit diesen Rückmeldungen beginnt der Iterations-Prozess. Ursprüngliche Ideen werden so zu reifen Konzepten weiterentwickelt und schließlich auf den Markt gebracht.

Strukturierte Innovation

Strukturierte Innovation verspricht, Innovationen gezielt und erfolgreich zu entwickeln. Das Vorgehen folgt der Grundannahme, dass erfolgreiche Innovationen zum überwiegenden Teil auf gezielten, erlernbaren und wiederholbaren Vorgehensweisen beruhen. Geistesblitze genialer Köpfe sind, wenn auch gerne zitiert, äußerst seltene Ausnahmen. Vom ersten Schritt bis zur erfolgreichen Markteinführung können sechs Phasen unterschieden werden.

Tom Spike - Strukturierte Innovation - Roadmap

Neben der Betrachtung des Innovationsprozesses behandelt die strukturierte Innovation noch eine Reihe weiterer Erfolgsfaktoren für das Gelingen von Innovation.

Phase 1 – Innovations-Felder

Phase 1 beginnt, wenn noch nicht einmal bekannt ist, in welchem Bereich eine Innovation angestrebt werden soll. Lediglich eine Motivation zur Innovation ist vorhanden. Grundlage kann beispielsweise eine unternehmerische Entscheidung sein oder der Wille, die Gesellschaft und die Welt voran zu bringen. Mit dieser Motivation beginnt die Identifikation potenzieller Innovations-Felder auf Basis der aktuellen Ausgangssituation des Unternehmens. In Betracht gezogen werden aktuelle Stärken und Schwächen, jüngste Veränderungen im Umfeld des Unternehmens oder auch spezifische Ressourcen und Kunden. Ziel ist es, aus der Vielzahl an Möglichkeiten für zukünftige Innovation, die richtigen zu erkennen. Ein Innovations-Vorhaben ist nicht an sich gut, schlecht oder erfolgversprechend. Jedes Unternehmen hat seine eigene Antwort. Risiko-Bereitschaft, verfügbare Kapazitäten, strategische Ausrichtung und die persönliche Motivation der Beteiligten spielen eine entscheidende Rolle bei der Auswahl.

Phase 2 – Innovations-Vorhaben

Während in Phase 1 noch eine Vielzahl von Möglichkeiten gesammelt und betrachtet werden, befasst sich Phase 2 bereits mit einem einzelnen, spezifischen Innovations-Vorhaben. Mindestens vier Arten von Innovations-Vorhaben lassen sich unterscheiden.

  • Produkt-Innovation: Der faltbare Regenschirm, das erste Smartphone, ein grundsätzlich neues Produkt oder die nächste Generation eines bereits auf dem Markt erhältlichen Produktes. Produkt-Innovationen sind strategische Projekte, die zunächst nicht auf spezifische technische Herausforderungen fokussieren, sondern Produkte umfangreich weiterdenken. Produkt-Innovation liegt typischerweise in der Verantwortung von Produkt- oder Produkt-Portfolio-Managern.
  • Technologie-Innovation: Das stufenlose Automatik-Getriebe,  die OLED, schnelles Laden von Akkus, innovative Funktionalitäten oder Eigenschaften die teils produktübergreifend einsetzbar sind und meist selbst kein eigenständiges Produkt für den Endanwender darstellen. Technologie-Innovation ist eng verbunden mit technischen Herausforderungen und komplexem Problemlösen. In Verantwortung sind üblicherweise Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.
  • Service-Innovation: Selbstbedienungs-Kassen, bezahlen per Telefon, automatisierte Fertigungs-Schritte, neuartige Dienstleistungen und Arbeitsabläufe im und außerhalb des Unternehmens. Service-Innovationen schaffen dort Fortschritt, wo mehrere Beteiligte im Kontakt miteinander stehen, zusammenarbeiten oder Leistungen erbringen. Für unternehmensinterne wie auch für kundennahe Dienste tragen abteilungsübergreifende Prozess-Eigner die Verantwortung.
  • Geschäftsmodell-Innovation: Spielzeug mieten im Abo, werbefinanziertes Musik-Streaming, Fahrgast-Transport durch Privat-Personen, Abrechnung von Transport-Kilometern statt Verkauf von Flugzeug-Turbinen, eine Struktur von Wertschöpfung und Leistungsabrechnung die von einem Unternehmen bisher nicht genutzt wurde. Geschäftsmodell-Innovation betrachtet rund zehn Hauptfaktoren, darunter Kundengruppen, Unternehmens-Ressourcen, Partnerschaften, Erlösströme und das Wertangebot eines Unternehmens. Die Betrachtung ist damit sehr umfassend und kann Produkt-, Technologie- und Service-Innovationen beinhalten. Die Verantwortung über Geschäftsmodelle ist oftmals in Geschäftsfeldern organisiert und obliegt damit dem Geschäftsfeld-Verantwortlichen.

So unterschiedlich diese vier Innovations-Arten zunächst klingen, im Ergebnis fällt ist die Unterscheidung zwischen Produkt-, Technologie-, Service oder Geschäftsmodell-Innovation oft schwer. Denn erfolgreiche Innovationen beginnen mit einer einzelnen Dimension und werden dann ganzheitlich. Die Übergänge werden fließend. Eine Festlegung zu Beginn erleichtert jedoch die Herangehensweise da die Auswahl der gemeinsamen Vorgehensweise leichter fällt.

Am Ende der zweiten Phase ist das Innovations-Projekt definiert. Es besteht ein gemeinsames Verständnis der Team-Zusammensetzung, der prinzipiellen Schlagrichtung sowie der wichtigsten Herausforderungen und Freiheitsgrade. Die inhaltliche Arbeit am Gegenstand der zukünftigen Innovation kann beginnen.

Phase 3 – Innovations-Kontext

Innovation ist immer systemisch zu betrachten, also im größeren Kontext. Im Hinblick beispielsweise auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen, technologische Entwicklungen sowie Kontext im und außerhalb des Unternehmens. Phase 3 dient dem Verstehen des Innovations-Gegenstandes – Produkt, Technologie, Service oder Geschäftsmodell – im Kontext der historischen Entwicklung und aktueller Herausforderungen. Zu diesem Verständnis gehört es auch, gesellschaftliche und technologische Trends sichtbar zu machen, sowie bisherige Entwicklungen zu verstehen. Diese Entwicklung lassen Rückschlüsse auf Kundenbedürfnisse zu, die nicht einmal der Kunde selbst kennt. Zusammen mit Kundenbedürfnissen aus erster Hand und Benchmarks zu Wettbewerbs-Produkten kann abschließend die Zielstellung für eine erfolgreiche Innovation gesteckt werden. Im Falle von Technologie-Innovationen gehört zu Phase 3 gegebenenfalls noch eine Ursachenanalyse bekannter Herausforderungen und gezielte Komplexität-Reduktion. Am Ende der Phase steht ein klares Bild zu Umfeld und Zielstellung der Innovation.

Phase 4 – Innovations-Muster

Sowohl technische Systeme als auch Geschäftsmodelle folgen in Ihrer Entwicklung bekannten Mustern und Gesetzmäßigkeiten. Nutzt man dieses Wissen, so steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Innovation um ein Vielfaches. Dieser Wissenstransfer auf Basis bewährter Erfolgsmuster und Prinzipien erfolgt in Phase 4 und ist einer der Hauptgründe, warum mittels strukturierter Innovation in sehr kurzer Zeit hervorragende Ergebnisse erzielt werden können. Ein Großteil der Arbeit wurde nämlich bereits getan und lässt sich durch geschickte Kombination auf das eigene Innovations-Vorhaben anwenden. Darüber hinaus kann auf Lösungsansätze fokussiert werden, deren Erfolg bereits erwiesen ist.

Phase 5 – Innovations-Konzepte

Der Mensch hat einen Drang zum Denken in Lösungen. Bis einschließlich Phase 4 gilt es, diesem Drang zu widerstehen. In Phase 5  ist nun der Zeitpunkt gekommen, um treffsichere Lösungskonzepten zu entwickeln. Eine überschaubare Anzahl an Lösungen wird kombiniert, bewertet, verglichen und verbessert. Schnelle Prototypen dienen der Verfeinerung und ersten Tests der Konzepte. Für Innovationen, die nicht in einem Schritt erzielbar sind wird ein Etappen-Plan erstellt. So können erste Innovationen bereits Grundlagen für folgende Erweiterungen legen. Phase 5 endet mit einer aussagekräftigen Kurz-Präsentation des Innovations-Vorhabens, dem sogenannten Pitch, gerichtet an den möglichen Projekt-Sponsor im Unternehmen gerichtet und enthält auch einen knappen Business Case als Kernelement.

Phase 6 – Implementierung

Nach erfolgreicher Präsentation des Innovations-Vorhabens beim künftigen Budget-Geber beginnt mit Phase 6 die Implementierung. Gleichzeitig ist dies der Übertritt in ein klassisches Entwicklungsprojekt. Mit üblichen Bestandteilen wie Projekt-Plan, Detail-Entwicklung, Zulieferer-Verträgen, Fertigungs-Planung, Pilot-Anwendung, Optimierungs-Schleifen und schrittweiser Markteinführung.

Design Thinking im Kontext strukturierter Innovation

Design Thinking und Strukturierte Innovation haben grundsätzliche Elemente gemeinsam. Zunächst wird mit beiden Ansätzen das gleiche Ziel verfolgt: Innovation. Ebenfalls gemein ist beiden Ansätzen, dass Anwender, Kunden und andere Interessensgruppen, also Stakeholder, eine wichtige Rolle spielen. An Ihren Bedürfnissen wird festgemacht, was eine Innovation zu leisten hat. Zuletzt vermeiden beide Vorgehensweisen vorschnelle Lösungsentwicklungen und fokussieren zunächst auf ein angemessenes Verständnis der Ausgangssituation. Dass strukturierte Innovation durch Design Thinking gut unterstützt werden kann ist also keine große Überraschung.

In welchen Phasen strukturierter Innovation kann Design Thinking besonders gut unterstützen?

Besonders bei der Definition des Innovations-Vorhabens, dem Verstehen der Anwender und Randbedinungen und der Konzeptentwicklung, also in den Phasen 2, 3 und 5, können Design Thinking Werkzeuge und Design Thinking Workshops einen wertvollen Beitrag leisten.

Welche Stärken hat Design Thinking?

Design Thinking wurde vielfach erfolgreich bei der Entwicklung von Konsumgütern angewandt. Also bei Produkten, oder auch Dienstleistungen, wo das Benutzungsverhalten durch den Anwender gut beobachtet und studiert werden kann. Dementsprechend ist die Wirksamkeit für Innovationen hier am größten. Eine weitere Stärke von Design Thinking ist der Fokus auf freiheitliches Denken und das Ausbrechen aus vorhandenen Denk- und Handlungsmustern. Besonders Personengruppen mit wenig Erfahrung in der Entwicklung neuartiger, kreativer Lösungskonzepte erhalten einen leichten Einstieg in das Denken von bisher scheinbar Undenkbarem.

Welche Beschränkungen hat Design Thinking?

Design Thinking fokussiert auf Gruppen-Kommunikation, Vorwissen des Innovations-Teams, beobachtbare Verhaltensweisen und persönliche Perspektiven von Kunden und Anwendern. Wenig Hilfestellung gibt es bei komplexen technischen Herausforderungen und bei Innovationen, die nicht im Zusammenhang mit direkt beobachtbarem Verhalten stehen. Hier können Ansätze wie TRIZ, OTSM, Design for Six Sigma oder Design of Experiments und speziell Kombinationen mehrerer Methoden, gute Dienste leisten. Zu Geschäftsmodell-Innovationen stellt der Business Model Canvas das Basis-Werkzeug dar. Eine weitere Beschränkung gibt es bei der Auswahl des Themenfeldes: Design Thinking fängt dort an, wo bereits klar ist, wo Innovation vorangetrieben werden soll. Auf die Frage, welches Innovations-Vorhaben in der aktuellen Situation sinnvoll und erfolgversprechend ist, gibt Design Thinking keine Antwort. Bei der Lösung der erkannten Probleme und Bedürfnisse setzt Design Thinking außerdem darauf, dass die Lösung auf der Hand liegt sobald man das Problem identifiziert hat.

Design Thinking – Wertvolle Unterstützung bei strukturierter Innovation

Zusammenfassend kann man sagen, dass Design Thinking in einigen Phasen strukturierter Innovation eine wertvolle Bereicherung ist. Design Thinking ist gut als Einstiegs-Methode zur Innovation geeignet. Es ist leicht erlernbar und schafft in kurzer Zeit vorzeigbare und anfassbare Ergebnisse. Auch um eine Innovationskultur im Unternehmen zu etablieren, kann Design Thinking als Türöffner eingesetzt werden. In fortgeschrittenen Innovations-Projekten kann man mit Design Thinking Begeisterungs-Elemente entwickeln, die über das übliche Maß an Kundenzufriedenheit hinaus Mehrwert bieten.

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Dass so verschiedenartige Methoden wie TRIZ, die Theorie des erfinderischen Problemlösens, und Design Thinking im Rahmenwerk von strukturierter Innovation sehr gut kombinierbar sind zeigen Erfahrungen in zahlreichen Innovationsprojekten in Industrieunternehmen. Für Kompetenzaufbau und unternehmensübergreifendes Netzwerken mit Innovationstreibern sind die Innovationstrainings der Reihe „Master Class“ für alle Innovationsarten das geeignete Format.

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