Digitalisierung und Innovation werden oft skeptisch beäugt
„Blinkende Werkzeuge mit Bluetooth und Überwachung. Das schadet mehr als es mir nützt.“ sagt der Handwerker. Nicht ganz zu Unrecht. Die Zahl aufgebrochener Transporter, Baucontainer und Lagerhallen steigt an. Gestohlen werden Profi-Werkzeuge.
Die Digitalisierung ist bei professionellen und mobilen Elektrowerkzeugen wie Bohrhämmern, Schleifmaschinen und Akkuschraubern angekommen. Braucht das jemand? Für viele Handwerker ist klar: „Das brauche ich nicht. Ich weiß, welche Akkus geladen sind und muss meine Geräte auch nicht orten können. Für Diebesbanden wird es doch nur einfacher, wenn mein Werkzeug dank Bluetooth leuchtet wie ein Knicklicht beim Nachtangeln. Mit einfachen Ortungsgeräten ist es ein Leichtes festzustellen, wo sich der mit neuesten Elektrogeräten beladene Lieferwagen befindet. Und auf die Überwachung der Betriebszeiten durch meinen Chef habe ich schon gar keine Lust.“ Profi-Werkzeuge sind nur ein Beispiel für Maschinen, deren Anwender oft vergleichbare Bedenken haben.
Wozu Digitalisierung im Maschinenbau?
Digitalisierung ist eine Antwort. Doch was war eigentlich die Frage? Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Jedes Unternehmen, dass sich Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben hat, braucht gute Gründe, warum Digitalisierung ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Zukunft ist. Denn nur wenn das „Warum“ im Unternehmen verstanden ist, dann kann auch gewährleistet werden, dass die Umsetzung konsistent und erfolgversprechend sein wird. Auch für den Kunden sollte die Antwort klar sein. Denn meist geht Digital-Technik jeder Art zunächst mit höheren Preisen einher. Diese Preise wollen gerechtfertigt sein. Sonst zahlt sie keiner.
Was sind also die Fragen, auf die mit Digitalisierung geantwortet werden kann?
Digitalisierung für umfangreiches Bestandsmanagement
Wie kann das Bestandsmanagement (Asset-Management) effizienter gestaltet werden? Für große Handwerksbetriebe, um beim gewählten Beispiel zu bleiben, stellt das Bestandsmanagement zunehmend eine Herausforderung dar. Garantielaufzeiten, Wartungszyklen, Ersatzteilkäufe und Batterieladezyklen sind nur einige der Daten, die im Kleinbetrieb noch im Kopf behalten werden können. Mit zunehmender Anzahl an Elektrowerkzeugen, Batterieladestationen, Akkus und modular kombinierbaren Geräten wird das zunehmend schwieriger. Und bei Maschinenbetriebsstunden und Fehlerprotokoll-Speichern ist dann endgültig Schluss mit Kopfrechnen. Elektrowerkzeuge, die Ihre entsprechenden Daten kennen, und auch noch bereitwillig per Bluetooth-Verbindung an eine zentrale Stelle zu übermitteln, tragen enorm zur Erleichterung bei.
Digitalisierung zur Automatisierung und Fehlervermeidung
Warum stimmen denn die Stundenabrechnungen schon wieder nicht mit den beim Kunden in Rechnung gestellten Leistungen überein? Projektarbeit ist Tagesgeschäft geworden. Vormittags beim Kunden Bestandsaufnahme des aktuellen Maschinenparks, Nachmittags Auftragsabnahme beim nächsten Kunden und übermorgen mit dem Joint Venture Innovationsprojekte bewerten. Stunden-, Reise-, Spesen- und Auslagenabrechnungen manuell zu pflegen ist nicht nur fehleranfällig, sondern auch lästig. Die App auf dem Smartphone kann Abhilfe schaffen, Belege scannen, Zeiten erfassen und Daten direkt an die Abrechnungsstelle übermitteln. In der Buchhaltung übersetzt erfolgt die Rechnungserstellung praktisch auf Knopfdruck. Administrative Abläufe sind freilich nur ein winziger Aspekt im Maschinenbau abseits technologischer Automatisierung.
Digitalisierung für mehr Abnehmer
Können wir zusätzliche und weiter entfernte Zielgruppen erschließen? So trivial es klingen mag, auch die teils seit Jahrzehnten andauernden Aktivitäten vieler Branchen, Ihre Angebote über Online-Shops anzubieten, zählen zur Digitalisierung. Etablierten sich zunächst allein stehende, schwach vernetzte Online-Shops einzelner Anbieter, erfolgen Umsätze nun mehr und mehr über Verkaufsplattformen, die als zentrale Anlaufstelle für bestimmte Branchen oder Zielgruppen fungieren. Maschinensucher und Maschinenmarkt sind nur zwei Beispiele wachsender Verkaufsplattformen. Ähnlich wie im privaten Sektor bei ebay bereits vor vielen Jahren geschehen, zeichnet sich eine Entwicklung von reinen Gebrauchtmaschinen-Plattformen hin zu gemischten Neu- und Gebraucht-Maschinen-Angeboten ab. Betrachtet man die Entwicklung von Amazon für Neuprodukte unzähliger Anbieter von Neuprodukten, so ist Vergleichbares sicherlich auch im Maschinenbausektor in naher Zukunft zu erwarten. Wo umfangreich individualisierte Produkte angeboten werden, wird der unternehmenseigene Online-Shop auch auf mittlere Sicht das digitalisierte Mittel der Wahl bleiben.
Vielfalt der Digitalisierungs-Möglichkeiten
An Möglichkeiten mangelt es nicht, Digitalisierung im Maschinenbau voranzutreiben. Weitere naheliegende Anwendungsfelder sind zeitgemäße Customer Experience (Bedienoberflächen und Augmented Reality), exzessive Individualisierung à la „Losgröße 1“ (Industrie 4.0) und vernetzte Kommunikation zwischen Maschinen und Geräten (Internet of Things). Die Liste könnte über additive Fertigung und Big Data hinaus noch beinahe endlos fortgesetzt werden. Wie so oft mangelt es also nicht an der Vielzahl an Möglichkeiten und Ideen, sondern vielmehr an Fokus, ungeteilter Aufmerksamkeit und gemeinsamen Anstrengungen, einige Themen gezielt und nachdrücklich voranzutreiben. Inkonsistente oder fehlende strategische Überlegungen und unklare Verantwortlichkeiten tragen zur Orientierungslosigkeit bei. Überzogene Erwartungen an kreativ betitelte Digitalisierungs-Gurus (Digitization Evangelists, Heads of Digital Realities und Chief Digitization Officers) in Verbindung mit mangelndem Grundlagen-Verständnis der Thematik in der Führungsebene machen die Verwirrung komplett und reduzieren „Digitalisierung“ auf ein profilloses Buzzword.
Digitalisierung als Wettbewerbsvorteil
Können wir es uns also leisten, unsere Produkte nicht zu digitalisieren? Wo der Wettbewerb seine Produkte mit umfangreichen digitalen Features ausstattet, stellt sich schnell die Frage, ob diesen Funktionalitäten ein entsprechender Mehrwert gegenübersteht. Für den Kunden stellt sich die Frage jedoch nicht immer. Es ist ähnlich wie bei Kauf eines Luxuswagens. Im Sinne eines guten Wiederverkaufspreises wählt man tunlichst Vollausstattung. So spielt auch bei Investitionsgütern das kurzfristige Preis-Leistungs-Verhältnis nicht immer die Hauptrolle bei der Kaufentscheidung. „Zukunftsfähigkeit“ lautet das Schlagwort, das oft dazu verleitet, ein Produkt zu kaufen, das mit neueren Funktionalitäten ausgestattet ist. Damit verspricht es, auch auf mittlere Sicht noch profitabel einsetzbar zu bleiben. Selbst wenn noch nicht absehbar ist, wie lange bestimmte digitale Schnittstellen tatsächlich weiter unterstützt werden und ob sie überhaupt jemals beim Käufer zum Einsatz kommen werden. Der Wettbewerbsvorteil liegt damit meist klar bei zeitgemäßen, digital unterstützten Produkten. Unabhängig vom tatsächlichen Anwendungsnutzen vieler Spezial-Features, insbesondere wenn die Kaufentscheidung vom Unternehmer getroffen wird und nicht vom Anwender.
Digitalisierung ist nicht alles
Obgleich die Beispiele bei weitem nicht erschöpfend sind, lässt sich zusammengefasst sagen: Digitalisierung ist ein Mega-Trend. Ähnlich wie die Globalisierung, Mobilität, die alternde Gesellschaft „Silver Society“, Sharing Economy oder New Work. Das heißt, dass man sich nur schwer vor den damit verbundenen Veränderungen verschließen kann. Nicht aber, dass man auf jedes Pferd gleichermaßen aufspringen muss. Entscheidend ist es, Schwerpunkte zu setzen und diese entschieden zu verfolgen. Je nach Branche, Zielgruppe und Marktsegment stellt der eine oder andere Megatrend eine größere Chance oder immanentere Bedrohung für ein Unternehmen dar. Alle Trends gleichermaßen zu bedienen, das wird wohl so schnell niemandem gelingen. Und ist auch nicht sinnvoll. Letztlich handelt es sich um Trends, also Entwicklungstendenzen, die Veränderungen mit sich bringen, aber nicht die ganze Welt auf den Kopf stellen. Zumindest nicht von heute auf morgen. Man muss also nicht in Panik verfallen. Getreu dem Motto „man hat nie die Zeit, etwas richtig zu machen, aber immer die Zeit, etwas noch mal zu machen“, lohnt es sich, eine konsistente Innovationsstrategie aufzustellen, die Antworten auf relevante Megatrends bereit hält. Und nicht relevante Trends auch klar als solche auf die hinteren Plätze verweist. Bis zur nächsten Evaluierung. Denn dann kann, und wird (!), die Welt schon wieder ganz anders aussehen.
Ist Digitalisierung Innovation?
Digitalisierung kann Innovation sein, muss aber nicht. Im weiteren Sinne ist jede Neuerung oder grundlegende Veränderung, die auch tatsächlich Mehrwert für einen internen oder externen Kunden schafft, eine Innovation. Demnach ist natürlich auch Digitalisierung eine Form der Innovation. Jedoch ist Digitalisierung zum großen Teil „Innovation von außen“, folgt also der Frage, welche andernorts entwickelten neuartigen Technologien und Lösungen sollen im Unternehmen eingesetzt werden. Ob also etwa das analoge durch ein IP-Telefon ersetzt werden soll. Wer mehr zum Thema „Innovation von außen“ wissen möchte, dem sei „Mastering the Hype Cycle“ von Jackie Fenn und Mark Raskino empfohlen. Viel seltener ist Digitalisierung heute getrieben von der Frage, wie mittels Digitalisierung Innovation geschaffen werden kann. Hier würden wir Digitalisierung tatsächlich als Innovation im engeren Sinne verstehen. Es sind aber nicht nur die selteneren, sondern natürlich auch die weitaus spannenderen Projekte.
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TOM SPIKE unterstützt Innovation – mit und ohne Digitalisierung
TOM SPIKE unterstützt Unternehmen dabei, Innovationsprojekte geschickt auszuwählen und entschieden voranzutreiben. Digitalisierung wird dabei nicht als Selbstzweck gesehen, sondern als eine mögliche Stellgröße für Wettbewerbsfähigkeit und Markterfolg durch „Innovation von innen“. Digitalisierung kann auch als Zugpferd in der Organisation dienen, weil die Unternehmensführung das Thema häufig vorantreibt.